26.6..2014
In Taupo bin ich mit Fiona und Pete verabredet. Es ist Samstag und ich weiß, daß an diesem Tag in Taupo ein großes Konzert dreier amerikanischer 70th-Bands stattfindet. Also versuche ich nicht
allzu spät einzutreffen, damit ich noch ins Haus komme, bevor die zwei losziehen. Dummerweise erreiche ich vormittags nur Mailboxen und als ich dann gegen 16:00 Uhr eintreffe, fahre ich gleich
direkt am Festivalgelände entlang. Der Parkplatz ist gut gefüllt, es sind kaum Leute auf der Straße und es ist laute Musik zu hören. Das kann natürlich ein Soundcheck sein, aber es wundert mich
dann doch etwas, „Sweet Home Alabama“ gefolgt von frenetischem Beifall zu hören.
Die Erklärung erhalte ich dann in der nächsten Tanke, wo ich nach dem Beginn des Konzerts frage. Die Antwort ist: „Oh, that’s almost over now. The last Band,Lynard Skynard, just started their
performance. They will be through at five thirty, for sure.“ (Oh, das ist fast schon rum. Die letzte Band, Lynard Skynard, hat gerade angefangen. Aber die werden gegen halb sechs sicherlich
fertig sein.)
Na, da wundere ich mich dann doch gewaltig. Wenn drei der großen amerikanischen Seventies-Bands, nämlich 10cc, Jefferson Starship (vorm. Airplane) und Lynard Skynard, ein Open-Air-Konzert geben
ist das ja bestimmt keine Kinderveranstaltung. Totzdem beginnt man um 13:00 und ist zum Abendessen fertig. Eine Lightshow kann man da natürlich auch nicht wirklich genießen. Nun gut, andere
Länder, andere Sitten.
Irgendwann ruft Pete mich zurück und meint, er komme mich jetzt abholen. Das wäre eine guter Grund, das Konzert zu verlassen. Er ist kein großer Musikliebhaber und wundert sich schon etwas über
die 100$ Eintritt, die sie pro Person bezahlt haben. Aber wenn in Taupo sowas mal stattfindet, möchte man natürlich auch irgendwie dabeisein.
Fiona hat da ganz andere Ambitionen. Mit einigen Freunden hat sie sich eisern bis in die erste Reihe durchgekämpft und feuert die Oldschool-Rocker bei ihrer Performance an. Da wird natürlich jede
Interaktion zwischen Band und Publikum dankbar erwidert. Jedenfalls wird dann noch nachgeglüht und deshalb kommt sie auch erst gegen halb Acht nach Hause.
In der Zwischenzeit zeigt mir Pete das Haus, daß er nicht nur selbst entworfen sondern auch gebaut hat. Das ist im Grunde typisch für Kiwis, daß sie sich auch an Sachen versuchen, die sie nicht
offiziell gelernt haben. Viele machen dann solche Hobbies durchaus zum Beruf. Insgesamt scheint mir aus den Biographien, die ich hier zu hören bekomme, eine wesentlich höhere Flexibilität, gerade
in der Berufswelt, zu sprechen. Manche erzählen mir sogar von einem sieben-Jahres-Rhythmus, in dem sie sich beruflich verändern, wobei die Berufsgruppen, zwischen denen gewechselt wird, oft nicht
das Geringste miteinander zu tun haben. Vom Lehrer zum Hotelier, vom Armeeoffizier zum Umweltbeauftragten, vom Koch zum Erzieher, usw…
Zu uns gesellt sich einen Tag später noch Christoph aus Thüringen. Ihn hat Fiona über eine Woofing-Platform im Internet ausfindig gemacht. Dort vermittelt man Jobsuchende an Leute mit
Arbeitskraftbedarf, wobei es sich in der Regel kurzfristige und kurzzeitige Arbeiten handelt, da die Vergütung in Kost und Logis besteht. Dafür ist die Arbeitszeit auch auf maximal vier Stunden
an fünf Tagen pro Woche begrenzt.
Viele Traveller, mit denen ich hier ins Gespräch komme, nutzen diese Form der Unterkunft, wenn Sie länger in einer größeren Stadt bleiben wollen, da es erstens vergleichsweise günstig und
zweitens, mit direktem Kontakt zu den „Locals“ verbunden ist.
Irgendwann beim rumfrotzeln am Esstisch kommen dann Fiona die Worte „our german slaves“ (unsere deutschen Sklaven) über die Lippen, und seitdem werde ich zusammen mit Christoph unter diesem
Begriff gehandelt.
Die Arbeit besteht darin, das Wochenendhaus in National Park Village von außen zu streichen. wobei nebenbei noch einiger Grünschnitt anfällt den es auch noch zu entsorgen gilt. Und es ist
wirklich eine ausgesprochen interessante Abwechslung, den eigenen Körper mal wieder zu einer anderen Tätigkeit als Radfahren zu verwenden. Von den fünf Tagen, die wir dort verbringen, arbeiten
wir etwa drei. Einmal besteige ich mit Christoph den Mount Ruhapehu, den mit 2797 Metern höchsten Gipfel der Nordinsel und an einem Samstag machen wir alle vier die berühmt berüchtigte „Tongariro
Crossing“, eine Wanderung, die mitten durch eine vulkanische Berglandschaft führt und in den letzten Jahren sehr stark an Zulauf gewonnen hat, da einige Szenen der „Herr der Ringe“-Trilogie hier
gedreht worden sind. Man muss allerdings wirklich sagen, dass diese Gegend durch ihre schroffe Kargheit sicherlich den landschaftlichen Höhepunkt der Nordinsel darstellt.
Einen der vorherigen Abende verbringen wir mit Tom, der in den Sommermonaten hinter dem Haus in einem kleinen „Sleepout“, einem Einzimmer-Cottage, lebt und täglich Touristengruppen über den
Tongariro-Crossing-Trail führt. Er erzählt uns, daß die Tourveranstalter gerade überlegen, die Guides in Hobbit-, Gandalf- oder andere Ringcharakter-Kostüme zu stecken, da die Zahl der
Tolkien-Touristen stetig wächst und ebenso die Zahl der Tourveranstalter. Da könnte so ein kleiner Hobbitkarneval durchaus eine florierende Geschäftsidee sein. Quasi das I-Tüpfelchen auf dem
Ring!
Tom wäre das prinzipiell egal. Erstens ist er ein humorvoller und unglaublich eloquenter Zeitgenosse, der seine Arbeit sicherlich mit einer guten Portion Schauspielerei verrichtet und zweitens
wird diese Wanderung täglich von mehr als Hundert Leuten unternommen, so dass die Pfade alle gut ausgetreten und ohnehin nicht sonderlich anspruchsvoll sind, weshalb man eigentlich keinen Führer
für diese Tour braucht. Und so begreift Tom seinen Job auch mehr als Aufpasser, Rettungskraft und eben Märchenonkel. Da würde ein Kostüm die professionelle Distanz zu seiner Arbeit nur
unterstreichen.
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