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Ich verlasse Auckland an einem Sonntag mit Hilfe verschiedener Fahrradwegkarten in Richtung Norden. Der oberste Zipfel der Nordinsel ist zwar schmal, aber dafür länger als man beim flüchtigen
Blick auf die Karte denkt. Alles in allem werde ich dafür zwei Wochen brauchen. Und das, obwohl ich gleich am folgenden Tag, einem verregneten Montag auf dem "State Highway 1", in Warkworth
beschließe, mit dem Bus weiter nach Norden zu fahren, da die Straßen doch so eng und die Autofahrer so rücksichtslos sind, wie es mir schon vorher von mehreren Seiten über Neuseeland zugetragen
worden war. Ich habe damals innerlich abgewinkt und gedacht: "Na, da hast du bestimmt schon Schlimmeres erlebt." Jetzt muß ich zugeben, daß der hiesige Verkehr doch jedliche Rücksichtnahme und
bauliche Mittel für Radfahrer vermissen läßt. Es ist wirklich die Hölle, wenn sich auf einmal mitten am steilen Berg der Seitenstreifen ins Unendliche verschmälert. Wenn die PKW einen schon kaum
mehr wahrnehmen und die Holzlaster (Logtrucks) neben den dichten Regenaufwirbelungen auch noch die Sägespäne ihrer Ladung in meinen Nasenlöchern hinterlassen.
Im Straßenverkehr weht hier halt ein sehr auto-dominanter Wind. Neben meinen Problemen als Radfahrer manifestiert sich diese Tendenz in Regelungen wie beispielsweise der, daß Fußgänger an einer
grünen Fußgängerampel die abbiegenden Fahrzeuge vorzulassen haben, da diese das "the right of way" (Vorfahrt) haben.
Die Krönung bildet dann aber die Tatsache, daß für Autofahrer keine Versicherungspflicht besteht. Angeblich springt der Staat ein, wenn ungedeckte Schäden verursacht werden. Das gilt allerings
nur für Personenschäden und greift im übrigen bei jeder Art von Unfall, der sich auf neuseelänischem Boden ereignet, egal ob die Person Kiwi oder Ausländer ist. Ich hoffe jetzt mal, das nicht
selbst irgendwann in Anspruch nehmen zu müssen.
Von Kerikeri, wo ich wegen einer Zyklonwarnung zwei Nächte verbringe ohne einen Zyklon zu erleben, mache ich mich dann bei super Wetter auf zum Nordkapp. Das trägt hier den Namen "Cape Reinga"
und ist eine Maori-Kultstätte. Außer einem historischen Leuchtturm gibt es hier nur einen Parkplatz un öffentliche Toiletten. Selbst das Picknicken ist wegen des kulturellen Hintergrunds
untersagt. Das schafft unterm Strich eine etwas aseptische Atmoshpäre auch wenn die graniose Landschaft dadurch natürlich keinen Schaden nimmt.
Der Campsite liegt am Ende einer drei Kilometer langen Schotterpiste unten in einer Bucht. In dem Wissen, das am nächsten Morgen alles wieder hochfahren zu müssen, ist die Abfahrt allerdings nur
mit Zähneknirschen zu genießen. Die Belohnung für das Knirschen ist dann aber ein wunderschön an einer weiten Sandstrandbucht gelegener Platz mit fließend Wasser und kalten Duschen. Ich treffe
dort ein Radlerpaar aus Brisbane und Boston. Sie stimmen mich schon mal auf weitere Busfahrten ein, obwohl ich das nicht unbedingt vorhabe.
Am nächsten Morgen mache ich mich dann auf zum Einstieg in den "Ninety Mile Beach", der allerdings nur etwa 85km(!) lang ist. In meinem Fahrradwegebuch wird das als achtzig langweilige Kilometer
beschrieben, wenn man auf die Gezeiten Rücksicht nimmt.
Ich frage den Campwarden nach den Gezeitentabellen und bekomme als Antwort, daß es zur Zeit egal wäre wann ich fahre, da die Flut gegen drei Uhr morgens ihren Höchststand hat. Auf meine
Bemerkung, daß wir in Europa zweimal am Tag Ebbe und Flut haben, ernte ich ein Achselzucken und einen deutlichen Zeigefinger auf die Spalte in der Tabelle wo nur eine 315 steht.
Als ich gegen 12:00 Uhr für etwa zwei Kilometer in einem flachen aber breiten Fluß fahre und den Strand erreiche, hoffe ich stark, daß der Campwarden recht behält. Leider ist dem nicht so.
Nach einer halben Stunde, in der ich immer wieder in trockene Zonen gerate, wo das Rad einsinkt, und bemerke, wie die Wellen immer höher die sandige Ebene erklimmen und manchmal auch meine Räder
erreichen, bis ich schließlich im trockenen Sand erwischt werde und danach mit nassen Schuhen dastehe, beschließe ich bei nächster Gelegenheit eine Pause einzulegen um die Ebbe abzuwarten und
mehr Platz zum Fahren zu haben. (Daß man hier einfach so auf dem Strand mit beladenem und nichtmal extra breiten Reifen Radfahren kann liegt übrigens an dem stark eisenhaltigen Sand, der eine
wirklich harte Fläche bildet, wenn er mit Wasser in Berührung kommt. Es gibt hier und südlicher sogar Fabriken, die das Eisen aus dem Sand filtern.)
An einem kleinen Rinnsal zwänge ich mein Rad durch den trockenen Sand und erreiche einen alten Baumstamm. Dies wird meine Robinson-Raststätte. Genau wie Crusoe, verzichte ich auf jedliche
Sonnencreme und auch auf die Oberbekleidung, da hier sowieso keiner mehr vorbeikommt und die Luft so herrlich warm ist. Daß ich dann irgendwann für eine Stunde wegdämmere und mir dabei einen
tierischen Sonnenbrand einhandele, hatte ich irgendwie nicht auf der Rechnung.
Das merkt man aber sowieso erst einen Tag später und so geht es abends erst mal munter weiter, die verbleibenden etwa siebzig Kilometer Strand entlang. Ich kann die Entfernungen nur schätzen und
tue mich auf Sand am Meer wirklich schwer damit. Einmal kommt ein Kap mit einigen Felsen und Kies aber ansonsten ist alles nur Sand. Nichtmal ansatzweise sind größere Steine zu sehen. Auch meine
Karten geben mir keine Auskunft, wie weit es noch bis zum Ende ist. Ich weiß, daß es mehrere Ausfahrten zum etwa 10-15km entfernten Statehighway SH1 gibt, allerdings sind diese vom Strand aus
nicht ersichtlich. Nach zwei Versuchen einen Ausweg zu finden, die jeweils in tiefem Sand und lauten Flüchen auf mein Fahrradwegebuch enden, baue ich kurz vor Sonnenuntergang mein Zelt auf. Das
Trinkwasser ist knapp geworden und weitere Bäche nicht in Sicht.
Am Morgen gibt es mit dem Restwasser noch ein Müsli um dann bei Tageslicht einen Ausweg zu finden. Nach etwa einer Stunde weisen mir Reifenspuren den Weg und ich komme auf eine Schotterpiste, die
mich sicherlich zurück zum SH1 bringt. Nach etwa 12 Kilometern hat diese ihre Schuldigkeit getan und ich beschließe an der Hauptstraße dann doch erst mal wieder nach Norden abzubiegen, da der
einzige Shop in dieser Gegend etwa fünf Kilometer in diese Richtung sein muß. (Oder waren es doch 10km?!?)
Mir ist jedenfalls jeder Aufwand recht, und so komme ich zu einem späten Frühstück, jeder Menge Trinkwasser und jeder Menge anderer leckerer Dinge, die die fünf bis zehn Kilometer auf jeden Fall
wert waren.
Danach fahre ich auf dem SH1 zurück bis Kaitaia und dann noch nach Ahipara, wo der "Ninety Mile Beach" endet, und zelte dort ebenfalls zwei Nächte, da wieder mal Sturmwarnung herrscht. Im Ort
gibt es einen Gitarrenbauer, der zwischen zwei anderen Schreinern sein Atelier hat. Ich werde über das Schild "Handmade Guitars" aufmerksam und frage nach.
Der Meister ist gerade nicht da, aber in zwei Stunden könne ich wiederkommen. Gesagt - Getan! Die Gitarren von "Dave Benavides" ( http://benavidesguitars.com/contact.html ) sind wirklich
interessant. Bei einem Preis von 3500 NZ-$ schlagen sie jedenfalls jede Menge der Modelle, die ich kenne, bei weitem. Dazu baut er gerne die kleineren Parlor-Modelle mit 64er Mensur. Also genau
mein Fall. Innerlich beschließe ich jetzt schon mir eine zu bestellen, wenn ich wieder zu Hause bin und wieder Geld auf dem Konto ist.
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