4.1. Auckland und die Delays

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Über die nächsten vierzehn Stunden im Flieger gibt es nicht viel zu berichten. Außer einen kurzen Unterhaltung mit der Schwimmerin auf dem Nebensitz, die, wie so viele andere Bekanntschaften auf meiner Reise, gerade einen Trip nach Deutschland plant. Genauergesagt landet sie in Amsterdam und will über Brüssel und Köln nach Prag und Berlin um dann von Frankfurt aus zurückzufliegen. Städtereisen nennt man das wohl. Ich gratuliere ihr zumindest mal zur Auswahl ihrer Ziele.

Da wir gegen halb vier abgeflogen sind und uns gegen die Erddrehung bewegen, bleibt es jetzt etwa zehn Stunden lang vier Uhr, da wir eine Zeitzone nach der anderen und dann irgendwann die Datumsgrenze durchbrechen. Dann wird aus dem Montag, vier Uhr, gleich der Dienstag, fünf Uhr eins. Allerdings sind wir nun aus Sicht der europäischen Zeitrechnung, nicht mehr hinterher sondern vorneweg.
In Sydney, wo wir um 8:30 Uhr Ortszeit landen, gehen die Uhren bereits nur noch zehn Stunden vor. Später in Auckland, das ja knapp 2000 Kilometer östlicher liegt, sind es dann wieder zwölf Stunden.

Das Umsteigen in Sydney verläuft eingermaßen stressfrei. Als ich aussteige wird mir am Gate ein Zettel mit meinem neuen Weiterflug nach Neuseeland ausgehändigt. Ich habe knapp drei Stunden um mich um ein Frühstück zu kümmern und da ich noch über 150 australische Dollar von 2007 habe, als ich genau hier Charlotte kurz vor Sylvester zu ihrem Rückflug vom Auslandshalbjahr verabschiedete, brauche ich mir keine Gedanken über die Preise machen.
Nach dem Schmaus, gehe ich zu einer der sicherlich abzockerischten Wechselstuben und tausche kurzerhand die restlichen australischen Dollars in neuseeländische. Die 43.000 chilenische Pesos werde ich dann bei einem ähnlichen Etablissement in Auckland tauschen. Dann herrschen endlich wieder klare Strukturen in meinem Geldbeutel.

Der Flug von Sydney nach Auckland mit "Air New Zealand" ist der bisher komfortabelste meiner Reise. Ich habe einen Fensterplatz in Reihe 7 und ein eigenes Display für das Boardprogramm. Auf diesem werden einem dann erstmal auf neuseeländisch/auenländisch die Sicherheitshinweise für den Flug vorgestellt. Das kleine Filmchen, daß überwiegend mit Elfen, Zwergen und Hobbits besetzt ist, und in dem sogar der "Herr der Ringe"-Regisseur "Peter Jackson" persönlich eine kleine Rolle spielt (wahrscheinlich fliegt er jetzt sein Leben lang gratis), erklärt auf angenehm witzige und sympathische Art und Weise das, was jeder Gelegenheitsflieger sowieso schon weiß. Aber eben sehr unterhaltsam. Selbst Tolkien-Hasser müssen dabei mindestens schmunzeln, wie mir später in Auckland einige davon eingestehen.
Für andere Filme wollen sie dann später 10$, aber das Musikprogramm ist gratis und ebenso eine kleine Auswahl neuseeländischer Kurzfilme. Durch das leckere und reichhaltige Essen und eine lückenlose Versorgung mit Getränken ist sowieso kaum Zeit, sich einem Spielfilm hinzugeben.
Wir landen in Auckland gegen Abend bei etwa 20°C und heftigem Südwestwind, was zunächst im Terminal natürlich keine Rolle spielt. Aber später, als ich bloß mit meinem Handgepäck vom Flughafen zum nahegelegenen Hotel Ibis laufe, komme ich mitten in das stürmische Treiben. Aber mit Wind habe ich ja in den letzten Wochen schon jede Menge Erfahrungen gemacht und hier ist er sogar angenehm warm.
Der Grund für diesen Windspaziergang ist, daß mein Gepäck nicht mit mir in dem komfortablen Flieger war, man macht mir aber Hoffnung, daß es am späteren Abend noch mit der letzten Maschine kommen kann. Also suche ich ein Hotel in der Nähe des Flughafens, um später nicht zuviel Zeit mit dem hin- und her verplempern zu müssen. Als ich dann jedoch an der Rezeption erfahre, daß sie "fully booked", also ausgebucht sind, entscheide ich mich zurück zum Flughafen zu segeln und einen Bus in die Stadt zu nehmen, denn ganz dunkel erinnere ich mich an Erzählungen von Freunden und Bekannten, daß verspätetes Gepäck normalerweise mit Taxi oder Kurier zugestellt wird.
Die "Bio-Security", die bei der Einreise jedliche lebenden Organismen im Gepäck oder an der Kleidung der Passagiere aufspürt und auf ihre Immigrationstauglichkeit untersucht, hat mir schon angekündigt, daß sie mein Gepäck und mein Fahrrad in meiner Abwesenheit begutachten würden. Auf meine Frage, was denn mit verschmutzten Dingen geschehe, wird mir mitgeteilt, daß sie diese reinigen würden ("We'll clean it for you."). Da der englische Begriff "to clean" im weiteren Sinne auch "entsorgen" bedeuten kann, bin ich dann doch etwas beunruhigt, da ich sicher bin, daß meinen Zeltheringen und dem zweiten Zeltboden noch einiges an patagonischer Erde anhaftet und außerdem das Fahrrad auch nicht gerade picobello geputzt ist.
Später erfahre ich dann, daß die Beamten der "Keimpolizei" anderen Leuten die Wanderschuhe mit einem Desinfektionsmittel aus einem dampfstrahlerähnlichen Gerät säubern und auch Zelte und Regenbekleidung derselben Prozedur unterziehen. Was ein Service! Aus der Unruhe wird mehr eine Neugierde, welche Dinge gesäubert  sein werden und welche nicht.

Aber erstmal zurück zum Hotel. Ich buche noch vom Flughafen aus ein Zimmer im "Kiwi International" und gleich dazu noch den teuren Shuttlebus für 16$. Es ist eines der günstigeren Hotels in Auckland aber die Zimmer sind ok und der Service absolut in Ordnung.
Da ich am folgenden Tag spätestens gegen 18 Uhr mit der Ankunft meines Gepäcks rechne, checke ich am Morgen aus und bunkere meine Habe im Luggageroom. Am Nachmittag kommt dann endlich der Kurier. Leider bin ich selbst gerade nicht anwesend, denn es wird nur der große Sack, nicht aber das Rad angeliefert.
Die Entäuschung ist natürich groß, und wieder einmal rufe ich die Gepäckhotline unter ihrer kostenlosen Nummer an und man versichert mir, man würde sich bei mir melden, sobald man wisse wo sich das Fahrrad befinde. Wenn nicht mehr heute Abend, dann auf jeden Fall morgen früh.
Immerhin habe ich jetzt schon mal meine sieben Sachen wieder, und kann mir wieder einen Überblick verschaffen. Die ganzen warmen Klamotten, die in Chile am Ende doch sehr angenehm waren, kommen erst mal ganz nach unten in die Taschen, denn hier herrscht T-Shirtwetter auch wenn der Windchillfaktor es manchmal  etwas kühler erscheinen läßt. "Gereinigt" wurden übrigens neben meinen Sandalen und den Radschuhen auch die Zeltheringe und der zweite Zeltboden. Sie haben also wirklich alles gefunden was auch ich unter Kontaminationsverdacht hatte. Die Schuhe befinden sich mangels Trockenheit in hochwertigen Plastiktüten und riechen schon etwas streng als ich sie auspacke (was sie aber vorher auch schon taten, aber schlechter Geruch ist ja nicht ansteckend).   

Am frühen Abend mache ich mit Andrea und Georg, einem deutschen Radlerpaar aus Neusäß bei Augsburg, einen Stadtbummel. Die beiden haben nachmittags im Hotel eingecheckt und sind schon etwas unterwegs. Außer dem Radfahren, sind die beiden aber auch gestandene Wassersportler. Neben dem Kayak steht vor allem das Segeln im Mittelpunkt.
Ich erzähle ihnen von meinen "America's Cup"-Erlebnissen in San Francisco und bekomme von ihnen interessante Informationen von Insidern zu diesem Thema. Georg wird übrigens hier in Auckland ab dem 5.2.2014 bei der WM einer kleineren nichtolympische Katamaranklasse teilnehmen, wenn sein Boot bis dahin angekommen ist. Zur Zeit befindet es sich planmäßig mit mehreren anderen Booten aus Deutschland und Dänemark in einem Container an irgendeinem chinesischen Hafen.

Leider werde ich am 5.2. wohl schon auf der Südinsel verbringen, oder zumindest kurz davor sein, weshalb ich dieses Spektakel leider nicht live werde erleben können.
Auckland strotzt nur so vor Events. Am Freitag wird es den "Big Day Out", eine australische Erfindung von Eintagsfliegen-Open-Air-Fesivals mit internationalen Bands (dieses Jahr u.a. "Pearl Jam" und "Deftones"), geben und bereits am Sonntag findet an der gesamten Küstenlinie des Downtownareals, ein Half-Ironman statt, der als Vorbereitung und Qualifizierung für den Ironman in Taupo dient. (Letzterer ist dann die Qualifikation für Hawaii.)

Daneben fühlt sich die Stadt an, wie die kleine Schwester von Sydney. Die Atmosphäre und das Flair sind sehr änhlich, aber die Dimensionen sind bescheidener. Mein Hotel liegt am oberen Ende des langgezogenen "Central Business Districts" (CBD), wie "Downtown" hier genannt wird, und innerhalb von 20-30 Minuten ist man zu Fuß locker am unteren Ende bei der Hafenpromenade. In Sydney ist man da bestimmt mehr als doppelt so lange unterwegs. 
Auch die Wolkenkratzer haben nicht die Dichte, des australischen Pendants und die Harbourbridge ist in Auckland eher eine Randerscheinung und auch längst nicht so eindrucksvoll wie die in Sydney, da sie mehr in einem weiten Bogen, umgeben von flachem Land die umgebenden Halbinseln und Inseln verbindet. Außerdem ist sie für Radfahrer gesperrt!!!

Die Neuseeländer bezeichnen sich als "Kiwi". Das kommt nicht von der auch bei uns so beliebten chinesischen Stachelbeere, sondern von dem fast ausgestorbenen Vogel, nach dem sowohl die Frucht, wie auch die Menschen, die hier leben, benannt wurden. Zur Unterscheidung der Begrifflichkeiten hängt man bei Frucht und Vogel einfach das entsprechende Substantiv an. ("Kiwifruit, Kiwibird")Bei den Einwohnern reicht "Kiwi".
Man ist hier sehr stolz auf gewisse Tugenden wie Hilfsbereitschaft, Unabhängigkeit und Toleranz. Und tatsächlich scheint auf dieser Insel die Integration der Ureinwohner besser zu gedeihen als anderswo. Allerdings sind die Maori, wie die "First Nations" hier heißen, auch nicht wirklich ursprünglich, sondern ab dem 14. Jhd. mit Booten aus Polynesien angekommen. Ob es davor bereits andere menschliche Bewohner gab, ist nicht überliefert. Zumindest haben es die australischen Aborigines scheinbar nicht geschafft, die zweitausend Kilometer übers Wasser zurückzulegen. Aber der holländische Entdecker Abel Tasman, der erst Tasmanien und dann auch Neuseeland entdeckte, aber auf der eigentlichen Suche nach dem Südkontinent an Australien vorbeifuhr, hat da einen ungleich größeren "Mut zur Lücke" bewiesen.

Zwischen "Maori" und "Pakeha" - so nennt man und nennen sich die Neuseeländer mit den europäischen Wurzeln, wenn es um "Geschäfliches" mit den Maori geht, besteht seit über 170 Jahren der Vertrag von Waitangi, der zwar immer wieder neu interpretiert wird, aber zumindest eine gewisse historische Basis schafft, die Konflikte und das Zusammenleben zu regeln. Solch einen Vertrag zwischen "Ur-"einwohnern und Kolonialisten hat es in Australien nie gegeben. In Neuseeland streitet man sich hingegen seit Jahrzehnten um Übersetzungsdetails, da der Vertrag vom Englischen ins Maori übertragen wurde. Dies geschah jedoch in einer Nacht und Nebel Aktion durch den englischen Missionar Henry Williams und seinen Sohn, denen wohl im Eifer des Gefechts einige Unschärfen unterliefen, die noch heute für große Unstimmigkeiten bezüglich der  Exegese dieses Friedenvertrags sorgen.


Die Maorikultur ist hier überall deutlich spürbar. Was mit der Zweisprachigkeit vieler Schilder und Namen beginnt, setzt sich bis zu einem eigenen Maori Fernsehkanal fort. Dadurch daß sie mittlerweile eine Minderheit bilden, da der weiße Mann sie in den vorherigen Jahrhunderten auf verschiedenste Weise kräftig dezimierte, haben sie etwas mit dem Vogel namens Kiwi gemein. Beide brauchen einen gewissen Schutz um zu überleben.

Nach knapp vier Tagen - ich bin mittlerweile auf den Rimuera Campsite umgezogen - kommt mein Rad per Taxi an. Ich bin zu diesem Zeitpunkt gerade Einkaufen, aber als ich wiederkomme und die Kiste sehe, fällt mir wirklich eine Ladung Steine vom Herzen. Es kann also weitergehen!

Schon beim Auspacken achte ich auf eventuelle Schäden, aber es ist alles ok. Nur die an den Rahmen festgeklebte Vorderachse scheint sich gelöst und selbständig gemacht zu haben. Nun ja, kein Problem! Wozu gibt es denn die hilfsbereiten Neuseeländer?

Als ich das Problem der Frau vom Campsite schildere, meint sie spontan, daß sie sowieso gerade auf dem Weg zu einem "Bikeride"mit ihrem Hund wäre und mich beim nächsten Fahradladen vorbeifahren könne. Da es allerings Samstag nachmittag ist, läßt sie es sich nicht nehmen vorher dort anzurufen und nach den Öffnungszeiten zu fragen.

Und dann geht alles ganz schnell, da der Laden in etwa zwanzig Minuten schließt. Ich hieve mein Rad auf den Fahrradträger und befestige es mit einigen Expandern und schon starten wir in einem größeren modernen Audi mit einem Display, daß beim Rückwärtsfahren ein Kamerabild des Areals hinter dem Fahrzeug einblendet. Natürlich gibt es noch jede Menge mehr Features aber das Gespräch geht dann doch weg von der deutschen Ingenieurskreativität zu anderen Themen wie etwa den hiesigen Schulferien. Für den chuljahresanfang gibt es hier keinen bstimmten Stichtag. Die privaten Schulen starten vor den staatlichen und die Grundschulen tendenziell nach den Weiterführenden.  

Wir schaffen es gerade noch zum Laden, der schon auf seinen ultimativen Kunden wartet. Ich ordere die Vorderachse und werde dann an den Mechaniker weitergereicht, der mir schnell die passende Größe bringt. Ich montiere das Teil und bezahle. Nach nichtmal fünf Minuten und einer Zahlung von knapp 10,- NZ$ ist mein Rad damit wieder komplett und fahrbereit.

Die nächste Halbe Stunde verbringe ich dann damit, den Linksverkehr nicht nur als Fußgänger, sondern auch als vollwertiger Verkehrsteilnehmer zu erproben. Und siehe da! Es funktioniert ganz gut. Wenn auch etwas unsicher und immer mit dem Eindruck, daß manche Autos ganz schön knapp überholen. Zunächst denke ich, daß es an der ungewohnten rechten Seite liegt, daß ich mir so "gemobt" vorkomme. Im Nachhinein muß ich sagen: "Nein, es ist das absolut ungeschulte und rowdiehafte Verhalten neuseeländischer Kraftfahrer, daß einem als Radfahrer wirklich das deutliche Gefühl vermittelt, auf der Straße nicht erwünscht zu sein. Es gibt zwar, wie bei uns eine Abstandsegel von 1,5 Metern, dies ist laut Wortlaut eines Polizisten jedoch nur "Coutesy" (Gefälligkeit) und nicht Gesetz.

Na dann bin ich mal dankbar für jeden, der sogar ganz auf die Gegenfahrbahn fährt wenn er mich überholt.

 

 

 

Ohne Kommentar!
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Bahnhof
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Rathaus
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K-Street
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K-Road Graffiti
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Cruising!
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Grafitti meets real life
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Fensterputzer
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Fire-Stone-Well
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Harbor
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Polinesischer Katamaran
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Ein Sprung vom Skytower
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... Rad ist da!!
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IRONMAN 2014
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Die "Harbor Bridge"
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