2.2. Die Pazifikküste von Oregon

...

Nach zwei Tagen Portland mache ich mich dann morgens auf. Erin schläft noch und Matt ist schon aus dem Haus. Also hinterlasse ich einen Zettel und bitte darum, mir ihre neue Adresse mitzuteilen, da sie ja Ende der Woche umziehen. Außerdem entschuldige ich mich für den völlig versifften Doug, den ich am Vorabend eine geschlagene Stunde mit dem Ball durch den Garten gehetzt habe (Wie gesagt, ein echter Nimmersatt). Da er dabei zwischenzeitlich immer mal wieder in seinem Planschbecken Abkühlung suchte, konnte sich die Gartenerde und die Zweige und Nadeln der Bäume umso zahlreicher in sein Fell einmassieren. Ich versuche noch, ihn etwas zu säubern, bevor ich ihn in's Haus lasse, aber von hier auf jetzt ist er scheinbar wasserscheu und macht es mir denkbar schwer. Schließlich reibe ich ihn mit einem trockenen Handtuch notdürftig sauber(er) und lasse ihn in's Haus zu den Katzen. Die Türen zu Schlaf- und Gästezimmer ziehe ich noch zu. Ich selbst verschwinde in mein Zelt und habe irgendwie kein gutes Gefühl :-/ Naja, es wird ja bald ausgezogen.

 

Bis zur Pazifkküste sind es noch gute 100 Kilometer. Allerdings liegt auf dem Weg ein Gebirgszug, den es zu überqueren gilt. Von den drei möglichen Routen entscheide ich mich für die kürzeste, abgelegenste und leider auch die mit den meisten Höhenmetern. Das zahlt sich aber immer wieder aus. Der Pass ist nicht steil, nur lang. Durch den geringen Verkehr habe ich die Straße fast für mich allein. Teilweise ist es nur eine Schotterpiste. Von der Hitze Portlands komme ich so auf eine trockene Hochebene, die mit Bauernhöfen zugepflastert ist, und schließlich nach dem waldigen "Nestucca River" Gebirgspass in einen Regenwald, der sich bis an den nebelig, kühlen Pazifik erstreckt. Es ist ein Wechselbad der Temperaturen. Je nach Höhe und Klimazone, zwischen 5 und 35 Grad ist alles dabei.
Das besondere ist der Küstennebel, der zwar bestimmten Gesetzmäßigkeiten zu folgen scheint, die für mich allerdings in den nächtsen 14 Tagen  nicht nachvollziehbar sind. Eigentlich sollte er vom Morgen bis zum Mittag auftauchen und dann verschwinden. Während meines Aufenthalts an der Westküste kam und ging er jedoch, wann er wollte. In den ersten sieben Tagen war er irgendwie immer anwesend - mal mehr, mal weniger dicht und immer kühl.


Im Gegensatz zum Atlantik wachsen hier ganz andere Pflanzen und leben hier ganz andere Tiere. Es riecht nach Eukalyptus und die alltäglichsten Vögel haben ein schwarz-blau schimmerndes Gefieder. Pelikane und Redwoods, Kolibris und Aloe Vera. Das sind hier die üblichen Gefährten am Wegesrand. Alles in allem ist es ein Regenwald, der die Küste bedeckt. Erst in Kalifornien wird es dann allmählich trockener und die Vegetation wird wüstenähnlicher. Man nennt das wohl auch Macchia. Alle Pflanzen haben irgendwelche Stacheln und kommen Monatelang auch ohne Wasser aus. Viele Exemplare kenne ich von Blumentöpfen der Innenseiten deutscher Fensterbänke. Aber die richtige Wüste werde ich erst Wochen später in Nevada, Arizona und Utah kennenlernen.

 

Neben jeder Menge Getier gibt es hier auch giftige Pflanzen. SIe werden "Poison Ivy" (Giftiger Efeu) und "Poison Oak" (Giftige Eiche) nach ihrem optischem Erscheinungsbild genannt. Sie wachsen allerdings nur am Boden und sind durch ihre typische Dreiblättrigkeit leicht zu erkennen. Erst beim Hautkontakt treten Komplikationen auf, die teilweise langwierig sein können. Dank langer Hosen, hoher Strümpfe und der nötigen Vorsicht, bin ich aber nie ein Opfer dieser Gewächse geworden. Die natürlichen Feinde meiner Waden und Knöchel sind immer noch die Pedale meines Rades und die Dornen am Wegesrand.
Über die giftigen Sträucher werde ich von Jasen aufgeklärt. Wir sind die einzigen Gäste der Hiker/Biker-Area am Urumpqua Lighthouse Statepark. Er ist von St. George, Utah aus zu Fuß unterwegs und macht mal Pause von der Familie und seiner Tätigkeit als Tätowierer und Künstler. Wir reden lange und ich nehme mir vor ihn später in St. George zu besuchen. Dummerweise spinnt mein Facebookaccount wochenlang und dann verpasse ich ihn.
Am nächsten Morgen fehlen aus meiner Tasche 500g Pasta, 500ml Tomatensauce, zwei teure Proteinriegel und der Honig. Letzteren finde ich einige Meter weiter geöffnet am Boden liegend. Alles andere ist verschollen. Zunächst verdächtige ich die Eichhörnchen (Squirrels). Aber wie sollten die meine Tasche aufbekommen? Oder 500 Gramm schwere Gegenstände bewegen? Erst später erfahre ich, daß es nur Racoons (Waschbären) sein konnten, da diese richtige Hände und Finger haben um Eingepacktes erfolgreich zu entwenden und zu verarbeiten.
Drei Tage später werde ich mich an einem anderen Campsite in die Schlacht werfen um Teile meines Frühstücks (2 Becher Joghurt) aus den Klauen dieser diebischen Kreaturen zurückzuerobern. Als ich nachts von merkwürdigen, kratzenden und schabenden Geräuschen wach werde, schalte ich meine Stirnlampe an und leuchte aus dem Zelt. Etwa fünf bis sechs Augenpaare reflektieren aus der Finsternis. Mittendrin mein Joghurt. Es sieht fast so aus, als würden sie mit den Bechern eine Partie "American Football" spielen. Jedenfalls wechseln die Becher und die Augen ständig ihre Position. Ich wickele mich aus Schlafsack und Zelt und spiele mit. Mit kurzen, lauten Schreien und wedelnden Armen versuche ch mein Eigentum zurückzurtgattern. Nach zwei Minuten ist der Spuk vorbei und die Schlacht erfolgfeich geschlagen. Die beiden Joghurts schmecken am nächsten Morgen natürlich doppelt so gut.
Auch in den folgenden Tagen habe ich immer wieder mit Waschbären zu tun. So niedlich und sympathisch diese Tiere auch rüberkommen, sie übrertragen Krankheiten und können tollwütig sogar Menschen gegenüber aggressiv werden.

Der Highway schlängelt sich meist diekt an der malerischen Steilküste entlang. Je höher die Klippen, desto steiler und länger sind die Anstiege und Abfahrten zwischen den teilweise kilometerlangen Sandstränden. Manchmal verschwindet die Straße auch für längere Zeit im "hinterland" - übrigens eines der wenigen Worte, die aus dem Deutschen in's Englische übernommen wurden wie auch der "kindergarten". Im Süden Oregons stellen "The Dunes" (Die Dünen) eine absolute Besonderheit dar. Es ist ein riesiges Areal mit einer nord-süd-Ausdehnung von etwa 60km, das sich im Inneren wie eine riesiege Sandwüste anfühlt. Manche Teile der Straße werden immer wieder von Sandzungen überdeckt und im schlimmsten Fall wird dann auch mal eine Straße verlegt. Ansonsten versucht man durch gezielte Bepflanzung den Sand in den Schranken zu halten.
Leider wird aus dem Naturschutzgebiet an sehr vielen Stellen ein Sandkasten für Touristen. Mit "Quads" und "Dirtbikes" durchpfügen sie die eindrucksvolle Landschaft und hinterlassen breite Narben in den fließenden Rundungen der Hügel und Ebenen. Auch wenn diese wieder zugeweht werden, empfinde ich das als respektlos und ignorant. Andererseits macht es sicherlich höllisch Spaß in diesem Terrain herumzuheizen. Wahrscheinlich denke ich da einfach zu konsequent und europäisch. Ein ganz besonderes Sandkastenerlebnis ist übrigens das "Sandcamping". Dabei fahren die großen Wohnmobile weit in die Dünen hinein und gruppieren sich auf einer weiten Ebene rund um einen kleinen See. Ein "echtes Naturerlebnis" für das Vehikel.

Einer der zahlreichen Radfahrer, die ich unterwegs treffe, ist Paul aus Portland. Da wir ähnliche Distanzen fahren treffen wir uns dreimal Abends auf den Campsites der einschlägigen Stateparks.

Beim dritten Mal lerne ich kurz auch Pat, seine Frau und, wie Paul anmerkt: deren "Schatten", Cooper, den Hund, kennen. Da Paul nur bis zur kalifornischen Grenze fährt holen die beiden ihn mit dem Auto ab und verbringen noch ein paar Tage im Landesinneren von Oregon.
Paul ist Pädagoge und hat von Schule bis Professur alle Stationen erlebt. Mittlerweile ist er pensioniert oder emeritiert, die Kinder längst aus dem Haus und es ist viel Zeit für Dinge wie Reisen, Politik und Bürgerbewegungen. In Portland gibt es da jede Menge Betätigungsfelder.

Am "Nestucca River"
Am "Nestucca River"
Farm
Farm
"Beton"-Boot
"Beton"-Boot
Küstennebel
Küstennebel
...
...
Vogel
Vogel
...>>>
...>>>
Kormorane
Kormorane
"Blue Jay" (Diademhäher)
"Blue Jay" (Diademhäher)
Seelöwen
Seelöwen
Henry, der Fisch aus Plastikmüll
Henry, der Fisch aus Plastikmüll
Recycling von Angeschwemmtem
Recycling von Angeschwemmtem
"Devil's Punchbowl" (Des Teufels Bowlenschüssel)
"Devil's Punchbowl" (Des Teufels Bowlenschüssel)
Am Strand
Am Strand
Am See
Am See
Im Wald
Im Wald
Die Dünen
Die Dünen
...
...
Brücke bei "Reedsport"
Brücke bei "Reedsport"
...
...
...
...

Kommentar schreiben

Kommentare: 0