1.12. New Hampshire

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Von Vermont, dessen Hauptstadt übrigens Montpelier (sic! mit einem "L") heißt und sich mit einem schicken Capitolsgebäude samt Goldkuppel ziert, komme ich an einem Ort namens "Lebanon" nach "New Hampshire". In der Nähe liegen Orte wie "Potsdam" oder "Berlin" aber auch "Piermont" und "Bristol" und natürlich "Canaan".

Das schöne für mich ist, daß ich mehr als den halben Staat auf alten Bahntrassen durchquere und dort wenig vom Straßenverkehr sehe. Außer den ehemaligen Bahnhöfen und den meist in der Nähe liegenden Läden, kriege ich außer Landschaft und Natur nicht viel mit vom Alltagsleben. Letztere ist allerdings durch und durch erholsam. Irgendwann ist dann Schluß mit der Eisenbahnromantik und ich muß mir die Straße wieder mit Autos und anderen Vehikeln wie LKW und RV teilen.

Ich komme an zwei Gefängnissen, sie heißen hier "Correctional Facilities" oder "Correctional Institutions",  vorbei und wundere mich über das Staatsmotto auf den Nummernschildern: "Live free or die", (Lebe frei oder stirb). Es ist das Halb-Zitat eines Auspruchs von "General John Stark" von 1809. Die zweite verschwiegene Hälfte lautet: "Death is not the worst of evils" (Der Tod ist nicht das schlimmste Übel).

 

Concord, die Hauptstadt, ebenfalls golden bekuppelt, ist eine etwas gesichtslose Ansammlung von Backsteinbauten, dessen Größe sich einzig in der höheren Anzahl der Stockwerke auszudrücken scheint. Als ich morgens in die Stadt einfahre finde ich außer den Fastfoodketten genau ein Cafe mit einem vernünftigen Angebot. Das ist natürlich gerammelt voll und ich stehe lange, bis ich meine Kaffee und meinen Muffin geniessen kann. 

Die Neugier der Leute ist hier noch genauso groß wie in Canada. Häufig werde ich wegen des Fahrrads angesprochen. Mittlerweile pfeffere ich die übliche "Woher-wohin" Konversation gerne mit kanadischen Anekdoten und habe mir zwischenzeitlich auch eine geschickte Version meiner Reiseroute "round the world" zusammengereimt, die schnell erzählt und wenig diskussionsfördernd ist. Oft höre ich dann: "Oh, you must have planned your trip very long". (Oh, sie müssen ihre Reise aber lange geplant haben.) Mir selbst kommt es allerdings so vor, als wäre die ganze Route mehr aus dem Bauch heraus mit mehr Intuition als Kalkül entstanden.

Viele wollen allerdings auch mehr von ihren eigenen Radtouren erzählen. Das sind vor allem ältere Menschen, die sich an frühere Zeiten erinnert fühlen, wenn sie das bepackte Rad sehen. Gerne höre ich mir die Geschichten von früher an und lasse mich mit antiquierten Tipps versorgen.

 

Kurz vor "Portsmouth" lande ich in der Newington Library und treffe auf Melanie und Scott, die die Bücherei führen. Die markante Holzkirche nebenan ist die älteste kontinuierlich aktive Kirche Nord-Amerikas. Scott hat seit kurzem ein E-Bike, das mir schon vor dem Gebäude aufgefallen war, und demonstriert mir kurz sein Gefährt. Ich darf dann auch selbst mal eine Runde drehen und bin doch etwas "schockiert", mit wie wenig Kraft man so ein Velo auf 25-30 km/h bringen kann. Ich versuche dieses Fahrerlebnis schnell wieder zu vergessen, um nicht an jedem Berg und bei jedem stärkeren Gegenwind daran denken zu müssen.

 

Flach und windstill geht es weiter bis zur Atlantikküste. ("Wiedersehen macht Freude") Allerdings ist hier die Zaun- und Mauerdichte exorbitant höher als etwa in "Nova Scotia". Ich verstecke mich schließlich zum Zelten in einem Statepark und fahre am nächsten Morgen die gesamte Küste von New Hampshire runter bis nach Massachusetts und bin landschaftlich berührt, kulturell aber tief enttäuscht. Es ist eine Küste der Besserverdiener, der Golfplätze, Yachten und Anwesen. Häuser werden mit vermietbaren Etagen aufgestockt und mit einzelnen kleinen Sonnenterassen auf den Dächern ausstaffiert, die wie Storchennester wirken. Zum Durchfahren ok. Zum Bleiben absolut inakzeptabel.

 

Nach der Staatsgrenze zu "Massachusetts" rieche ich einen strengeren "Wind". Auf einmal tragen Motorradfahrer wieder Helme. Anschnallgurte werden angelegt. Und tatsächlich, in New Hampshire gibt es keine Helmpflicht (für Radfahrer sowieso nicht) und anschnallen müssen sich nur die unter 18-jährigen. Dass die das natürlich wie eine Strafe empfinden und mit der Volljährigkeit erst recht ohne Gurt oder auch Helm fahren, scheinen die Gesetzgeber nicht auf dem Schirm gehabt zu haben. "Live free and die" (Lebe frei und sterbe).

"Capitol Montpelier"
"Capitol Montpelier"
"Royalton"
"Royalton"
Car-Art
Car-Art
Historic Train
Historic Train
Historic Station
Historic Station
Pop-Church
Pop-Church
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"Grasshopper"
"Grasshopper"
Fisherwoman
Fisherwoman
Village
Village
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"Newington Church"
"Newington Church"
"Capitol Concord"
"Capitol Concord"

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