1.9. Québec Teil 2

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Das Schiff "Bella Desgagnes" kommt dann doch nochmal zwei Stunden später als erwartet. Da meine Passage jetzt aber gute drei Tage dauern wird, kommt es darauf auch nicht so an. Es wird sogar die Parole durchgegeben, man werde einiges der Verspätung wieder aufholen. Das Schiff Ist funkelnagelneu und hat mehrere Räume mit Pullmansitzen. Mal längs, mal quer , mal vor-, mal rückwärts zur Fahrtrichtung - so ist für jeden was dabei. Allerdings  gibt es aber auch eine dreiköpfige Security, die nicht nur für die Sicherheit, sondern auch für das Benehmen der Passagiere verantwortlich zu sein scheint. Das geht bis zu den Sitz- und Schlafgewohnheiten und gleicht irgendwann den Gepflogenheiten in einem Erziehungslager. Aber dazu später mehr.

Im Gegensatz zum Festland spricht man hier vornehmlich Französisch. Das kommt mir insofern komisch vor, da wir in den nächsten Küstenorten, die übrigens alle keinerlei Straßenanbindung haben, immer auf englischsprachige Gemeinschaften treffen. Die einzige Ausnahme sind dabei die Innu, eine von den Innuit abstammende Volksgruppe, die neben ihrer eigenen Sprache auch fließend Französisch spricht. Das wiederum hat kolonialgeschichtliche Gründe, da sich die Einzelnen Stämme der First Nations entweder mit den Franzosen oder den Engländern verbündet haben.

 

Wikipedia sagt dazu: "Die Innu oder auch Montagnais (franz. ‚Bergbewohner‘) sind eine Gruppe der First Nations im kanadischen Québec und Labrador, die vor ca. 8.000 Jahren in diese Region zogen.
Die Stammesgruppen unterschieden sich primär in ihrer Lebensweise – die zahlreicheren etwa 4.000 Innu waren mehr gebietsgebunden und lebten in semi-nomadischen Gruppen in den Wäldern, jagten Elche, Karibu, Hirsche und Kleinwild. Manche Küsten-Gruppen betrieben auch Ackerbau, fischten und ernteten Ahornsirup. Die nur 1.500 Menschen zählenden Naskapi hingegen lebten als Nomaden meist in offenen Graslandschaften von der Jagd auf Elche und Karibus, dem Fischfang sowie dem Sammeln von Wurzeln und Wildpflanzen.
Die Innu waren mit den Atikamekw, Maliseet und Algonkin gegen ihre traditionellen Feinde, den Mi'kmaq und Irokesen, verbündet. Immer wieder waren während der Biberkriege (1640–1701) die Irokesen in ihre Gebiete eingefallen, und hatten Frauen und Krieger in die Sklaverei entführt, als auch ihre Jagdgründe auf der Suche nach mehr Pelzen ausgeplündert. Da diese Auseinandersetzungen seitens der Irokesen mit bisher nicht gekannter Brutalität geführt wurden, übernahmen nun die Innu ihrerseits die Marter- und Foltermethoden als auch die Grausamkeit ihrer indianischen Feinde. Die Naskapi hingegen hatten meist Konflikte mit den südwärts vordringenden Inuit im Osten.
Die Innu dürfen hierbei aber nicht mit den Inuit oder Inupiat-Inuktitut verwechselt werden.
Heute leben rund 18.000 Innu in elf Siedlungen innerhalb Reservaten in Québec und Labrador."

 

Für mich, als mehrfach Grönlandgereister, ist es dann doch ein wenig gewöhnungsbedürftig, dass sich Inuit-ähnliche Menschen fließend auf französisch unterhalten. Bisher hatte ich neben Inuktitut nur Dänisch und Englisch gehört und das klang auch nicht sehr fließend.

Schon beim Warten auf das Schiff treffe ich Pascale und Gaetan aus Repentigny, nördlich von Montreal. Gaetan hat neulich Canada von Ost nach West in 60 Tagen mit einem geschenkten, mindestens 30 Jahre alten Peugotrennrad durchquert. Seine Frau Pascale war schon mehrfach in Deutschland und auch sonstwo in Europa. Da die beiden auch ihre Räder dabeihaben, nehmen wir uns vor, die angelaufenen Ortschaften mit dem Fahrrad zu erkunden. Pascale hat nämlich schon rausgekriegt, dass hier die Liegezeiten in den Häfen für Landgänge der Weiterreisenden vorgesehen sind. Unsere Plaene mit den Rädern werden dann allerdings meist von der Ladecrew sabotiert.
Das Schiff verstaut sämtliche Ladung mit einem Kran in Containern mit halber, viertel oder Achtellänge. Auch Autos werden in wandlosen Kästen verladen. Die Fahrräder sind im Container 4011. Pascale meint irgendwann, das könne man sich gut merken, da es wie "quarente onces" (40 Unzen) nach einer Alkoholquantität klänge. Ich denke da eher an Kölnisch Wasser minus sieben. So verschieden sind die Kulturen.
Aufgrund der Verspätung wird der "Schnapscontainer" mit den Rädern leider manchmal nicht am Kai abgeladen und dann müssen wir zu Fuß gehen. Glücklicherweise können wir auf der "Ile de Anticosti" dann doch eine etwa einstündige Nacht-Tour durch den einzigen Ort "Port Menir" unternehmen. Dabei müssen wir höllisch aufpassen, dass wir keine Rentiere anfahren, da die einfach so im Ort herumlaufen und überhaupt nicht scheu sind.

Eine weitere Begegnung habe ich mit David, Tomas und Stephen. Die drei sind irgendwann morgens einfach da. Das Gepäck sieht wegen der ganzen wasserdichten Packsäcke doch sehr nach Kayakern aus. Bei einem Landgang in Port Harrington kommen wir schließlich in's Gespräch. Sie haben eine zehntägige Paddeltour von Natashquan bis St. Augustin hinter sich. Die Kayaks sind in einem Container und das Auto steht in Natashquan. D.h. Sie werden noch bis nachts um drei Uhr mitfahren und dann wieder auf's Auto umsteigen und etwa elf Stunden nach Montreal zurückfahren. Mit dem Rad würde ich dafür etwa zwölf Tage brauchen. Da ich allerdings noch bis zur Endstation in Rimouski mitfahre, werde ich schon nach einer Woche in Montreal sein.
Bevor ich aber das Schiff nach den drei einhalb Tagen verlasse gibt es noch einige kleine Schlachten mit der Security, bezüglich der Nutzung der Fensterbänke, zu schlagen. Das Ablegen von Gegenständen stellt noch kein wirkliches Problem dar. Das Sitzen jedoch schon. Man wird in recht rabiater Manier angepfiffen, sich gefälligst zu erheben und einen der tollen Sessel zu benutzen. Blöderweise ist eine Unterhaltung zu viert, in Sesseln, die in Reihen angeordnet sind wie in einem Kino ohne Leinwand, doch etwas unnatürlich und verkrampft. Also steht immer mal jemand in der Gegend rum bis wir uns in die Cafeteria verziehen. Dort gibt es genau das richtige Mobliarformat für vierköpfige Gesprächsrunden. Außerdem gibt es keine Fensterbänke und wenn die Security hier aufkreuzt, macht sie Pause und ist demnach a.D..
Die schlimmste Sünde ist es jedoch, nach Sonnenuntergang die Füße auf die Fensterbänke zu legen. Das wird mit lauter Ansprache bis zum Wachrütteln bestraft. Da das mit dem auf den Boden legen ja schon bei der Neufundlandfähre nicht funktioniert hat muss ich jetzt eine Schlafstrategie für die nächsten zwei Nächte entwickeln. Die Lösung besteht schließlich im Stapeln meines Handgepäcks vor der Fensterbank. Damit liegen meine Füße auf meinen Taschen und das kann man ja wohl schlecht verbieten. Tomas erzählt mir später, das sie ihm sogar untersagt haben, sich nach Einbruch der Dunkelheit länger auf Deck aufzuhalten. Das wäre zu unsicher. Dort gibt es übrigens prima Ablagemöglichkeiten!!!

Nach über drei Tagen Erziehungslager komme ich schließlich in Rumouski an. Auch hier hat das Schiff nochmal eine Stunde Verspätung, gegenüber der Prognose. Wir kommen also erst mit der Dunkelheit an.
Da es in Rimouski, was übrigens sofort einen Hauch "Côte Azur" verbreitet, keinen Campingplatz gibt, fahre ich aus dem Ort bis er sich allmählich etwas verdünnisiert. An einem reinen Fahrradweg im Gruenen baue ich mein Zelt im Stockdunklen an einer Verbreiterung samt Grillhütte auf. Leider wache ich nicht erst mit den ersten Joggern und Fahrradpendlern auf, sondern werde noch vor Sonnenaufgang von einem Güterzug geweckt, der mitten durch mein Zelt zu fahren scheint. Das Zuggeräusch samt dem typischen Pfeiffen kommt immer näher und wird immer lauter bis ich wach bin und es sich wieder entfernt. Ich glaube allerdings, das ich gerade unter die Raeder gekommen bin. Keine Chance also, das in irgendeinen Traum einzubauen. In der Morgendaemmerung sehe ich dann die eingleisige Bahnlinie in sechs Metern Entfernung.

Aber die unruhigen Nächte von Quebec sind damit noch nicht vorüber. Am nächsten Abend zelte ich in der Nähe eines unbewohnten Ferienhauses, dessen Alarmanlage gegen 0:30 plötzlich für dreißig Minuten loslegt. Wer ist da wohl der Einbrecher, wenn nicht ich?
Eine Nacht später zelte ich an einem Parkplatz an der Schnellstraße, wo Jugendliche mitten in der Nacht ihre Motorräder in den höheren Drehzahlbereichen testen, na super.
Eine weitere Nacht später holt mich ein heftiges Gewitter mit einem Donnerschlag gegen ein Uhr aus dem Schlaf und  hoert erst nach ueber zwei Stunden unter prasselndem Regen auf. Das staerkt dann allerdings das Vertrauen in mein tolles Hilleberg Staika Zelt.

 

ACHTUNG WERBUNG:

Mein neues Hilleberg Zelt Staika ist sowohl jeden Euro, wie auch das gute Kilo Mehrgewicht gegenueber dem Nallo2, wert. Zwei Eingaenge, zwei Apsiden und der Stand ohne Haeringe, und dabei eine gute Sitz

hoehe. Gut Platz fuer 2 Personen und erst recht fuer mich und meine Satteltaschen. Da kann ich mir glatt noch ein paar Freunde einladen. Fuer kanadische Verhaeltnisse fehlen da natuerlich noch einie Quadratmeter und der Kuehlschrank und die Microwelle und...

ENDE DER WERBUNG


Bei der überaus quirrligen Stadt "Québec" mit dem über ihr thronenden "Château Frontenac" und der, von der Mündung aus, ersten Brücke über den "Riviere de St. Laurent" wechsele ich an's nördliche Ufer und komme nach einer absolut frankophonen Ecke, in der es Leute gibt, die wirklich keinerlei Englisch sprechen, nach "Montreal", dem Schmelztiegel der Provinz "Québec und vielleicht sogar ganz Kanadas.

Die "Bella Desgagnes"
Die "Bella Desgagnes"
Harrison Harbour
Harrison Harbour
Schaufenster in "Harrison Harbour"
Schaufenster in "Harrison Harbour"
Wir ergattern Innu-Brot (La Romaine)
Wir ergattern Innu-Brot (La Romaine)
"Havre St. Pierre"
"Havre St. Pierre"
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"Port Menier" Isle de Anticosti
"Port Menier" Isle de Anticosti
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Rentier vor Schiff
Rentier vor Schiff
typische Quebec-Farm
typische Quebec-Farm
An der Bahn
An der Bahn
"Eglise Quebecienne"
"Eglise Quebecienne"
"L`Art Quebecienne"
"L`Art Quebecienne"
"Quebec-City"
"Quebec-City"
Erste Bruecke ueber den St. Lorenz Strom
Erste Bruecke ueber den St. Lorenz Strom
... und der Radweg \-:
... und der Radweg \-:
An der "Riviere Saint Laurent"
An der "Riviere Saint Laurent"
Quebec-City einen Tag vor dem Marathon
Quebec-City einen Tag vor dem Marathon

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