1.7. Newfie Teil 3

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Mein Weg auf dem "Trans Canada Highway" bringt mich immer mal wieder an Ortschaften oder Raststätten vorbei. Da meine Karte leider wenig Informationen über die vorzufindende Verpflegungs-Infrastruktur bietet. (Raststätten sind gar nicht verzeichnet), muss ich häufig pokern wann ich am besten für's Abendessen einkaufe. Schnell merke ich, dass die Abstände der Einkaufsmöglichkeiten mit dünner werdender Besiedlung, doch drastisch zunehmen. 50-60km sind zwischen zwei Ortschaften schon mal möglich. Das wäre dann in etwa so, als wäre zwischen Mainz und Worms oder Kaiserslautern keine Gelegenheit zum Tanken oder Einkaufen von Grundnahrungsmitteln. Mit dem Fahrrad (wo das Tanken dann natürlich nicht so wichtig ist) bin ich, nach einem verlorenen Pokerspiel mit einer Nacht knurrenden Magens, deshalb gewarnt und habe immer genug Vorräte dabei.   

Andere Radfahrer sehe ich wenig, und wenn, kommen sie aus der Gegenrichtung. Das liegt vor allem daran, dass der Wind hier meist von Westen bläst und meine Fahrtrichtung doch so einige Gegenwindtage zu garantieren scheint. (Ja, ich habe das vorher gewusst, aber nicht so ernst genommen!!!) Irgendwann hole ich Rachel ein. Sie studiert in St. John's und ist auf dem Weg nach St. Anthony's im Norden. Auch wenn wir das selbe Ziel haben, ist sie mir vom Tempo her doch etwas zu langsam. Außerdem ist sie nicht sehr gesprächig und irgendwie etwas mißtrauisch oder ängstlich. Das mit dem Tempo relativiert sich dann später, als ich feststelle, dass sie zwar langsam, aber dafür mit extrem wenig Pausen fährt. Eigentlich mache sie immer nur eine Mittagspause erzählt sie mir später. So kommt es dann an den nächsten zwei Tagen regelmäßig vor, dass ich sie morgens oder vormittags überhole und nachmittags oder abends nochmal. Da sie in Hotels und Motels übernachtet, gibt es da auch keine gemeinsamen Interessen, was Camping und Kochen angeht. Irgendwann nach einem heftigen 60-minütigen Regenguss ward Rachel dann  nicht mehr gesehen. Ich hoffe sie hat alles gut überstanden und kam noch gut an ihr Ziel. Gegen Regen war sie nicht allzu gut gerüstet und es gab doch noch einige heftige Schauer in den nächsten Tagen. 

 

In Gander treffe ich am "Ganderday" ein. Das hat einerseits den Nachteil, das man nur an Tankstellen einkaufen kann, da die Läden geschlossen sind, aber andererseits den Vorteil, dass mitten im Ort eine Bühne mit Livemusik bespielt wird.  An einem Ende des gigantischen, abgesperrten Zentral-Parkplatzes ist ein Lastwagenanhänger voller Bühnentechnik positioniert. Eine Seite ist oben und unten aufgeklappt, wodurch die Bühnentiefe zunimmt und oben gleichzeitig ein Dach entsteht. Die Jungs von der PA-Firma haben alles gut im Griff und sorgen für einen kristallklaren Sound und einen reibungslosen Ablauf. Da jede Formation nur etwa 20-30 Minuten spielt gibt es da Einiges zu tun.  Dummerweise beginnt es bei meiner Ankunft bereits zu Tröpfeln und die Tendenz verspricht nichts Gutes. Vor der Bühne stehen etwa  150 bis 200 blaue Plastikstühle, die auf dem riesen Platz schon ziemlich verloren wirken. Die Verlorenheit wird nun noch dadurch gesteigert, dass sie sämtlich unbesetzt langsam vollgeregnet werden. In den blauen Sitzschalen sammeln sich allmählich immer größere Pfützen. Die Zuschauer haben inzwischen alle Zuflucht unter dem Vordach von Supermarkt und Bank gesucht. Hier ist es schön trocken und geschützt und man ist noch einigermaßen nah an der Bühne, aber eben nur an der Seitenlinie, nicht im Mittelfeld. Tragischerweise nimmt der Regen auch noch konstant zu, weshalb ich beschließe, nicht weiter zu fahren und später entweder im Hotel zu übernachten oder am Fußballplatz oder College zu zelten. So spielen die Bands und Singer- Songwriter vor einer Armee verwaister Plastikstühle unter einem permanenten Regenvorhang. Es sind lokale Musiker, allerdings mit teilweise hervorragenden Fähigkeiten. Leider wird fast nur gecovert und der Einzige, der eigene Stücke im Gepäck hat, klingt wie ein irischer Busker, der seinen Texten durch das Einflechten hiesiger Ortsnamen, etwas Lokalkolorit verpassen möchte. Aber alles in allem ist das eine schöne Abwechslung und sicherlich nicht die schlechteste Methode einen Dauerregen zu überstehen. Nach der mehr als zehnten Band packe ich mein Rad. Der Regen lässt bis auf ein Nieseln nach, und für  22:45 Uhr ist noch das Abschlussfeuerwerk angekündigt.  Als ich mich gerade aus dem Ort rauswinde beginnt das Spektakel. Es ist ein außergewöhnlich langes Feuerwerk und während ich mein Rad abstelle und die Kamera rauskrame, gesellen sich drei 10 - 12 jährige Jungs zu mir. Gemeinsam starren wir in den Nachthimmel und staunen ob der vielfältigen Muster, Blüten und Girlanden, die unter der Geräuschkulisse eines historischen Schlachtfelds in die Dunkelheit gemalt werden. Nach dem großen Finale interessieren sich die Jungs plötzlich sehr für mein Fahrrad. Das mit der Probefahrt kann ich ihnen wegen des ganzen Gepäcks und des zu großen Rahmens noch ausreden, als es dann aber um den Preis des Rades geht, übe ich mich in massivem Understatement. Man möchte ja keine Begehrlichkeiten wecken.

 

Nach weiteren Highway-Etappen mit immer flacher werdender Landschaft und interessanten Wildcampingplätzen komme ich nach Deer Lake. Dort zweigt die Straße nach St. Anthony's am Ende der langen Nordhalbinsel Neufundlands ab.  Weiter geht es also auf einer Landstraße. Da die leider auch sehr frequentiert ist, währt die Freude über den Abschied vom Highway nicht allzu lange und mangels eines breiten ausgebauten Seitenstreifens wird das Fahren anstrengender und auch gefährlicher.  Nur gut, das ich einen Tag später in den "Gros Morne" Nationalpark komme. Dort besteige ich den gleichnamigen mit 806m höchsten Berg der Gegend. Da die Wanderung bei etwa 10 Höhenmetern beginnt, gibt es also einiges zu klettern. Die Informationstafeln veranschlagen 6-8 Stunden für die 16 km. Durch meine trainierten Beine bin ich vor allem beim Aufstieg bedeutend schneller als so manch andere Wanderer, und in einer 2km langen Passage mit dem Namen "The Gully" - einer Treppenähnlichen Passage aus grobem Geröll - merke ich deutlich, was ich in den letzten Wochen an Kondition zugelegt habe.  Der Ausblick vom Gipfel ist wegen des flachen Buckels nicht allzu interessant, aber an den Rändern zu den steilen Flanken öffnen sich doch immer wieder atemberaubende Szenerien. Etwa ab 500-600 Höhenmetern ist die Landschaft hier übrigens frei von Bäumen, was neben der Erhabenheit der Höhe auch noch eine unglaubliche Weite schafft. Der Wind auf dem Gipfel ist so stark, das man kaum stehen kann. Gegenseitig fotografiert man sich vor dem Gipfelschild um dann den Rückweg über die flachere und längere Südostschleife abzusteigen.  Nach fünf Stunden und 20 Minuten bin ich wieder am Parkplatz und tausche meine Wanderstiefel wieder gegen die Radschuhe. Einige Blasen werden mich die nächsten Tage noch an diesen "Zu Fuß Tag" erinnern.  

 

Die nächsten Tage werde ich von einem Südweststurm förmlich die Küste hochgeblasen. Das Hauptproblem besteht dann darin einen windgeschützten Ort für's Zelt zu finden. Dank der unglaublich abwechslungsreichen und dünn besiedelten Küste werde ich immer schnell mit Meerblick und persönlichem Strandbereich fündig.   Leider wird mir an der Spitze die Zeit etwas knapp. Die Fähre von hier nach Québec/Labrador geht zwar mehrmals täglich, aber die Anschlußfähre nach Rimouski kommt nur einmal die Woche. Also cancele ich die Nordschleife und mache mir noch einen "ohne Gepäck Tag" nördlich des Fährhafens. Gute Entscheidung, da der Wind Sturmstärke annimmt. Für die zwanzig Kilometer zur Fähre brauche ich dann spaeter etwa zwei Stunden.  Neben Wind und Sturm mischt sich jetzt auch der Regen wieder ein. Am Fähranleger stehen schon jede Menge Autos. Das Beladen hat gerade begonnen und ich werde vom Koordinateur an einer Leitplanke vor dem Schiffsmaul geparkt. Dort ist es leider wenig windgeschützt und gegen Regen gibt es auch kein bauliches Mittel. Ich werde mehrfach darauf hingewiesen, dass man mir Bescheid geben werde, wenn ich mich in's Schiff begeben kann. Also warte ich stoisch, ziehe meine Regenklamotten an, lasse die Autos an mir vorbeiziehen und schließlich, es sind noch drei PKW auf der Rampe, kommt der "Majordomus" zu mir, deutet auf das letzte Fahrzeug und meint: "Behind this SUV, you can go in." Ich lache ihn etwas zerknirscht an und meine zu ihm, wenn er mir zu Beginn gesagt hätte, dass ich am Ende einchecke, hätte ich mich auch prima unterstellen können. In seiner achselzuckenden leicht grinsenden Reaktion, erkenne ich, dass er es sadistisch genießt, mit seiner Macht zu spielen. Einige Tage später schreibe ich eine Email an die Fährgesellschaft und begrabe diese Geschichte als "menschliche Ausnahme einer ansonsten durch und durch sympathischen Insel".

Angler auf "halb drei"
Angler auf "halb drei"
Ganderday 1
Ganderday 1
Ganderday 2 (philipinische Tanzgruppe)
Ganderday 2 (philipinische Tanzgruppe)
Ganderday 3
Ganderday 3
Ganderday 4
Ganderday 4
Fireworks-Flower
Fireworks-Flower
Blick vom Rand des "Gros Morne"
Blick vom Rand des "Gros Morne"
Tablelands im "Gros Morne Park"
Tablelands im "Gros Morne Park"
Wasserläufer
Wasserläufer
"Rocky Harbor"
"Rocky Harbor"
"The Arches"
"The Arches"

 

 

English Version _____________________________________________________________________

 

 

My way on the "Trans Canada Highway" brings me to villages or fuelstations at major crossings. Since my map unfortunately provides little information about the catering found on such infrastructure (Restareas are not listed), I often play poker when I buy the food for dinner. I quickly realize that the distances between shops increase dramatically. 50-60km are possible between two villages. That would be something like, as if between Mainz and Worms or Kaiserslautern no opportunity for refueling or shopping for foods would be available. With the bike (where the refueling is of course not so important though) I am, after losing a poker game with a night of a growling stomach, warned and always have enough supplies with me for several days.
Other cyclists I see little, and when they come from the opposite direction. The main reason is that the wind blows here mostly from the west and my direction is the opposite, which seems to guarantee some headwind. (Yes, I have known that before, but not taken as seriously!) Someday I meet Rachel. She studied in St. John's and is on the way to St. Anthony's in the north. Even if we have the same aim, her pacing is a bit too slow for me. Moreover she is not very talkative and somehow something suspicious or fearful. That with the pace changed the perspective later, when I realize that she moves slowly, but with very little breaks. Actually, she makes only a lunch break she tells me later. So then it happens in the next two days, that I am passing her in the morning and in the afternoon or evening again. As she is staying in hotels and motels, there is also no common interests in terms of camping and cooking. Eventually, after a fierce 60-minute downpour Rachel wasn't seen anymore. I hope she had survived everything well and arrived good to her destination.  Against rain she was not too well prepared and there were some more heavy showers in the next few days.  
In Gander I arrive at "Ganderday". On one hand the disadvantage is, that you can only buy at gas stations because all the shops are closed, but on the other hand the advantage is, that there's a stage in the middle of town where live music is played the whole day. At one end of the giant, locked central car park a truck trailer full of stage equipment is positioned as stage. One side is opened up and let down, causing the stage depth to increase and at the same time above a roof is formed from the upper half of the wall. The guys from the PA company have everything well under control and ensure a crystal clear sound and a smooth process, since each formation plays only about 20-30 minutes. Unfortunately, it starts to dribble when I arrive and the tendency looks not good. Infront of the stage are about 150 to 200 blue plastic chairs that act quite lost in the huge space of the car park. The lostness is now still further heightened as they are all fully unoccupied and totally wet. In the blue seatshells the puddles getting bigger and bigger. Viewers have now sought refuge under the canopy of a supermarket and bank. Here it is nice and dry and protected and it is still fairly close to the stage, but only on the sidelines, not in the middle. Tragically the rain is quite constant, which is why I choose not to go further and stay later at a hotel or to camp near some football field or college grass area. So the bands and singer-songwriters play in front of an army of orphaned plastic chairs under a permanent rain curtain. There are local musicians, but some with excellent skills. Unfortunately, almost only covering and the only one who has his own pieces, sounds like an irish busker who wants to localize his texts by the interweaving of newfie-place names or political and historical facts. But for me it is to survive, and certainly not the worst way, a continuous rain until late night.
After more than ten performances I grab my bike after the rain has decreased up to a drizzle, and for 22:45 the final fireworks is announced. Just when I get out of the towncenter the spectacle begins. It is an exceptionally long fireworks and while I park my bike and lok for my camera, I am joined by three 10-12 year old boys. Together we stare into the night sky, amazed by the variety of patterns, flowers and garlands, painted under the sounds of a historic battlefield in the darkness. After the grand finale, the guys suddenly got very interested in my bike. The idea with the test drive, I can get rid of, because of "all the baggage and the large frame". But about the price of the bike, I am practicing on a massive understatement.  I would indeed arouse no desires.
After some other highway episodes with increasingly flat expectant scenery and interesting wildcamps I come to Deer Lake. There, the road branches off to St. Anthony's at the end of the long northern peninsula of Newfoundland. So I continue along a country road, which is unfortunately also very frequented, and so granted the joy of leaving the highway not too long and the lack of a wide-developed shoulder is making the ride more strenuous and even dangerous.
I reach the "Gros Morne" National Park a day later. There I got on the before named one of the highest mountains of New Foundland with 806m. As the walk begins at about 10 meters above sea level, so there is a lot to climb. The information boards estimate 6-8 hours for the 16 km. Through my trained legs I'm much faster than many other hikers especially on the ascending parts, and in a 2km long passage with the name "The Gully" - a staircase-like passage from coarse gravel - I feel clearly which condition I've gained in the last weeks. The view from the top is because of the shallow hump not too interesting, but at the edges of the steep flanks show panoramic and always breathtaking sceneries. From about 500-600 meters above sea level, the landscape here is free of trees, which in addition to the grandeur of height also creates an incredible wideness. The wind on the summit is so strong that you can barely stand. Mutually photographed in front of the summit sign and then descend the way back on the flatter and longer Southeastern descend. After five hours and 20 minutes I'm in the parking lot again and change from my hiking boots to the cycling shoes again. Some blisters will make me remember the next day this "Walking Day".
The next week  I'm literally blown up the coast by a south-west gale. The main problem then, is to find a windsheltered place for the tent. Thanks to the incredibly diverse and sparsely populated coast I'll always find a tentsite with sea views and personalized beach area easily. Unfortunately, time is bullying me at the top of the island. The ferry from here to Quebec/Labrador goes several times a day though, but the ferry to Rimouski only runs once a week. So I cancel the north-tip and have a "day without luggage" north of the ferry terminal. Good decision, as the wind takes gale force the next day. For the twenty kilometers to the ferry I need about two hours. In addition to wind and storm the rain is pouring slightly. At the ferry dock are already a lot of cars. The loading has just begun and I am parked by the loading-officer at rail in front of the vessel's mouth. There is unfortunately no shelter against rain and wind. I'm repeatedly pointed out that they would let me know if I can board the ship. So I wait stoically, put on my rain gear, let all the cars go by, and finally, there are still three cars on the ramp, comes the "majordomo" to me, points to the last vehicle and says: "Behind this SUV, you can go in. " I laugh at him a little contrite and mention to him, that if he had told me at the beginning that I will check in at the end, I could have waited in a sheltered area. In his slightly grinning reaction, I realize that he enjoys sadistic to play with his power. A few days later I write an email to the ferry company and bury this story as "human exception" to an otherwise very friendly and hospitable island".

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Kommentare: 1
  • #1

    Ulla (Montag, 16 September 2013 11:23)

    Hi, wir haben unser erstes Konzertwochenende hinter uns gebracht. Am Freitag waren die Jazzmessengers da und Sonntag Klavierduo. Die Sängerin der Jazzgruppe war goldig, das erste was sie gemeint hat als sie in den Saal kam: Wo ist den die Anlage vom letzten Mal. Da hab ich sie aufgeklärt, dass unser Anlagenmensch zur Zeit auf Weltreise ist und Jens nachgefragt hatte ob sie nochwas brauchen und nichts kam. Zum Glück hatte einer aus der Gruppe seine Anlage dabei. Wünsch dir weiterhin viel Glück und nette Leute und nicht zu viel Wind.